verantwortlich: Bettina Saure

Inzwischen wissen wir sehr viel über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur. Trotzdem gelingt es uns sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene nicht, adäquat darauf zu reagieren.

Was hindert uns daran, uns für Klimaschutz einzusetzen?

Um uns diesem komplexen Thema anzunähern, müssen wir zunächst einen Blick auf das Leben in unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft werfen. Seit der Industrialisierung leben wir in dem Glauben, dass alles machbar ist und dem menschlichen Erfindergeist kaum Grenzen gesetzt sind. Immer stärker verbreitet sich die Überzeugung, dass es uns zusteht die Errungenschaften unseres Fortschrittes jederzeit und überall zu nutzen.  Das Versprechen eines paradiesischen Lebens ohne Entbehrungen erzeugt im Individuum eine dauerhafte Spannung, da es mit seiner tatsächlichen Realität, die auch Schmerz, Leid und Entbehrungen beinhaltet, nicht übereinstimmt. Diese Spannung lässt uns unaufhörlich wahrnehmen, was uns fehlt und erzeugt Gefühle von Neid und Gier. So sind wir ständig auf der Suche nach neuen Möglichleiten der Bedürfnisbefriedigung und entfremden uns auf diese Weise von der Natur, von unseren Mitmenschen und von uns selbst.

Nachdem wir auf die gesellschaftliche Ebene geblickt haben, richten wir unseren Blick nun auf die individuelle Ebene.

Menschen entwickeln erst eine Motivation zur Veränderung, wenn zum rationalen Verständnis eines Problems dessen emotionale Anerkennung hinzutritt. Die Klimakrise muss als persönliche Bedrohung erlebt werden. Wir müssen uns mit den durch sie ausgelösten Gefühlen wie Angst, Sorge, Verzweiflung, Wut und Ohnmacht auseinandersetzen. Nur dann entsteht eine anhaltende Motivation, die tiefgreifende und nachhaltige Veränderungsprozesse in Gang setzen kann. Da wir aber so geprägt sind, dass wir unangenehme Gefühle so lange wie möglich vermeiden, brauchen wir dabei die Unterstützung anderer Menschen, die ebenfalls zu dieser Auseinandersetzung bereit sind. Die Klimakrise stellt eine so gewaltige Bedrohung dar, dass wir gar nicht anders können als sie zu verdrängen, wenn wir uns ihr alleine gegenüberstehen sehen. Außerdem haben wir nur durch kollektives Handeln überhaupt eine Chance.

Die verschiedenen Spielarten der Verdrängung werden von dem Umweltpsychologen Robert Gifford als Drachen der Untätigkeit bezeichnet und in 7 Drachenfamilien eingeteilt.

Wie können wir uns selbst und andere motivieren?

  • Innehalten
    Wir brauchen Zeiten und Orte, die uns zum regelmäßigen Innehalten einladen und uns dabei unterstützen, wieder in einen guten Rhythmus von Aktivität und Rückzug zu finden.
    In der Stille können wir nicht nur unseren eigenen Bedürfnissen nachspüren, sondern auch entdecken, was für unser Leben wichtig und wertvoll ist. Wenn wir anfangen darüber zu reflektieren, wie wir leben wollen, können wir neue Vorstellungen von einem guten Leben entwickeln. Statt Konsumorientierung und Perfektionsstreben können lebendige Beziehungen zu unseren Mitmenschen, gegenseitige Solidarität, die Erfüllung einer sinnstiftenden Aufgabe und die Verbundenheit zur Natur ins Zentrum unseres Lebens gerückt werden.
  • Pflegen einer bewussten und achtsamen Beziehung zur Natur
    Es ist an der Zeit, wieder einen achtsamen Umgang mit der Natur zu lernen und eine liebevolle Beziehung zu Tieren und Pflanzen zu entwickeln, die uns dazu motiviert, sie zu pflegen und zu schützen.
    Es reicht nicht aus, sie als Erholungsraum für uns selbst zu nutzen und uns nicht um ihr Wohlergehen zu sorgen. Das wirkt sich auch auf uns aus, denn die heilsame Wirkung der Natur kann sich nur in einer wechselseitigen Beziehung wirklich entfalten. Wir brauchen Projekte, die Kinder und Erwachsene lehren, achtsam und verantwortungsvoll mit der Natur umzugehen und Mitgefühl für Tiere und Pflanzen zu entwickeln. Nur aus der Liebe zur Natur kann die Motivation entspringen, sich langfristig für sie einzusetzen und den eigenen Lebensstil zu verändern. In diesem Sinne leisten Waldkindergärten einen großen Beitrag zum Klimaschutz.
  • Klimaschutz als gemeinsames sinnstiftendes Projekt
    Um Einsamkeit, Unsicherheit und Ohnmachtsgefühlen entgegenzuwirken, ist es wichtig, Gemeinschaft und Verbundenheit zu stärken. Sich mit anderen Menschen zu verbinden und gemeinsam für eine Veränderung einzutreten, kann unserem Leben Sinn geben und Freude machen.
    Klimaschutz kann so zum sinnstiftenden Projekt werden, das Menschen verschiedener Generationen und Nationalitäten miteinander verbindet. Dabei geht es sowohl darum, sich politisch zu engagieren als auch die Bereitschaft zu entwickeln, Einschränkungen des eigenen Konsums und Komforts zu akzeptieren.  Dabei ist es wichtig, Grenzen nicht nur als Einschränkungen wahrzunehmen, sondern auch als Leitlinien, die unserem Leben Struktur geben und uns helfen, uns zu orientieren. Machen wir uns bewusst, dass viel mehr Menschen dazu bereit sind, sich für Klimaschutz einzusetzen, sich aber alleine ohnmächtig fühlen und darum nicht handeln!  Deshalb ist es so wichtig, sich miteinander zu verbinden und zu vernetzen und sich auf diese Weise gegenseitig zu stärken.

siehe hierzu auch unsere Pressemitteilung.

Literatur

Lea Dohm, Felix Peter, Katharina van Bronswijk „Climate Action – Psychologie der Klimakrise“ , Psychosozialverlag Gießen 2021

Richard Gifford „The dragons of Interaction: Psychological barriers that limit climate change mitigation and adaptation“ American Psychologist, 66(4), 2011

Bettina Saure, Praxis für Psychotherapie, Georg-August-Moeller-Str. 40, 36251 Bad Hersfeld

13.12.2023